Auslosung
30. April, 82. Minute: Linksschuss Benzema, 1:0 Real Madrid. 88. Minute: Linksschuss Ramos, 2:0 Real Madrid.
Ich, knieend vor meiner Couch, starre den Fernseher an und bete, dass es gut geht. Dass es irgendwie gut geht. 90. Minute. 91. Minute. Die Zeit vergeht einfach nicht. 94. Minute, Kuba im Ballbesitz wieder vertändelt. 96. Minute, es ist endlich vorbei. Endlich. Wahnsinn, Dortmund im Finale!
31. April, 48. Minute: Linksschuss Robben, 0:1 Bayern. 72. Minute: Eigentor Piqué, 0:2 Bayern. 74. Minute: Nick schreit 'Super Bayern' und macht sich noch ein Bier auf.
Von da an war klar: Wir gehen nach Wembley! Zwei Fragen waren nur noch zu klären: Erstens wie? Zweitens Tickets? Letzteres hat sich ziemlich schnell erübrigt. Trotz der immens hohen Glaubwürdigkeit der zahlreichen Facebook-Seiten, die Tickets beim Teilen oder Liken versprechen, waren wir erst einmal ernüchtert. Kein Losglück also. Hatte Dortmund anfangs auch nicht, macht nichts, dachte ich mir.
Wie hin? Flüge viel zu teuer. Bus schlechte Verbindung. Trampen zu wenig Zeit. Auto scheitert an der Fahrtauglichkeit - aus emotionalen Gründen versteht sich. Zug auch zu teuer. Dann flüsterte mir ein österreichisches Täubchen aus Ried das Wort 'Interrail'. Interrail? Klar, Interrail!! Verdammt, warum sind wir da nicht selbst drauf gekommen. Also los!
Gruppenphase
1. Spieltag, Bruchsal - Strasbourg
Völlig locker, Baden-Württemberg-Ticket, 13.30 Uhr Bahn rein, 15.40 Uhr Strasbourg raus.
Strasbourg Bahnhof |
2. Spieltag, Strasbourg - Metz
Nach 2h Fahrt ausgestiegen aus Metz sehen wir an der Anzeige einen Zug nach Luxemburg. Kurz gezögert, dann aber wild entschlossen weiter gelaufen zum Schalter. Luxemburg ist ein Umweg sagen wir noch, wir wollen nach Lille ins Hostel, alles aus Frankreich raus ist ein Umweg. Am Schalter dann empfängt uns eine Dame, unsympathisch wie eine Kreuzung aus Tévez, Roman Abramowitsch und Schalke 04 ist, schon warmherzig mit den Worten: "No." Es sollte sich wie ein Muster durch unseren "Dialog" ziehen.
- "Bonjour. Vous parlez anglais?" - "No."
- "Train de Lille?" - "No."
- "Paris?" - "No."
- "Nancy?" - "No." In der Zwischenzeit wendet sich der Mann, der am Schalter nebenan sitzt und gerade noch Englisch mit einem Kunden geredet hat, an unsere gnädige junge Dame, fragt was den los sei, woraufhin wir irgendetwas von "non parlez francais", "Lille" und "allemand" verstanden. Er schüttelte den Kopf, wendete sich wieder intensiv seinem Fall zu.
- "Il ya un possibilité de... Lille" - "No."
Wir schauten betröppelt drein und zogen ab. Der Typ konnte echt Englisch oder?! Wir wussten auch, dass es schwer wird, aber so schwer? Alles reserviert hieß es am deutschen Bahnhof, allerdings stand im Netz, dass es normalerweise auch vor Ort noch ein Kartenkontingent gibt. Auch zwecks der immensen Hilfsbereitschaft waren wir erstmal vor den Kopf gestoßen. Wo sollte das nur hinführen, wenn es jetzt schon so schwierig wird? So in etwa musste sich der FC Bayern beim 3:1 gegen BATE Baryssau gefühlt haben. Doch wenn einen das Reisen etwas lernt, dann ist es ruhig zu bleiben. Also fuhren wir nach Luxemburg (und tranken noch eine Apfelsaftschorle). Unsere Liebe zu Frankreich jedenfalls war ein wenig erschüttert - um dies mal vorsichtig auszudrücken.
Alles Metz oder was?! |
2. Spieltag, Metz - Luxemburg
19.25 Uhr Ausstieg aus dem Zug. Erstmal durchatmen, Zigarillo oder Zigarette - je nach Belieben - , dann zum Schalter. Die Laune war gut und Hoffnung irgendwie da. Dort fiel dann plötzlich sie vom Himmel:
Engel von Luxemburg |
Wir, natürlich schon etwas von dem wahnsinnigen Zuckergehalt der Apfelsaftschorle geschwängert, staunten nicht schlecht, atmeten aus und freuten uns wie ein Schnitzel, dass es eine Verbindung gab! Heja, sind ja nur 4 Umstiege und eine Wartezeit von 5 Stunden in Charleroi! Aber... es gab sie die Möglichkeit. Sie war da.
Ironischerweise spielte auch der FC Bayern am 3.Spieltag gegen Lille. "Der FC Bayern hat in der Königsklasse zurück in die Spur gefunden. Beim OSC Lille fuhr der Rekordmeister einen glanzlosen Arbeitssieg ein", schreibt der Kicker. Irgendwie passend. Man könnte schon fast von Karma sprechen.
3. Spieltag, Luxemburg - Arlon
Auf nach Belgien.
Waren schön, die 1,5 Stunden. |
4. Spieltag, Arlon - Namur
30 min Zeit zur mentalen Vorbereitung auf den 5-stündigen Aufenthalt in Charleroi.
5. Spieltag, Namur - Charleroi
Es war der 5. Spieltag und der Moment sich für die bisherige gute Leistung zu belohnen - man wollte das Achtefinalticket lösen. Borussia Dortmund musste den nächsten Schritt machen, was eindrucksvoll mit einem 1:4 in Amsterdam gelang.
Ähnlich erging es uns. 5 Stunden, ich wiederhole, 5 Stunden Aufenthalt in Charleroi, der Perle von Pelgien wie wir es lyrisch wertvoll tauften. Das war machbar, allerdings mussten wir auch etwas aus sich herausgehen.
Glücklicherweise gab es dort diese Bar die 24/7 offen hatte und eine gehörige Auswahl an Schorlegetränken bereitstellten. Hier ein kleiner Überblick:
Geschlafen haben wir auch - eine Stunde war drin.
6. Spieltag, Charleroi - Lille
Wir wussten, dass das Ticket gelöst ist, sobald wir in diesem Zug sitzen. Also legten wir nochmal 2h Schlaf während der Fahrt drauf. Doch ganz angenehm.
Achtefinale
Lille - Calais
Das Einzige, was wir im Vorfeld reserviert hatten, war die Fähre die um 11.35 Uhr von Calais nach Dover fuhr. Alles andere wollten wir spontan arrangieren. So war es allein schon ein Erfolg dahin zu gelangen... v.a. rechtzeitig dahin zu gelangen! Wer hat uns nicht alles gesagt, dass es schwer, wenn nicht sogar unmöglich wird. Die Deutsche Bahn erzählte von vollen Zügen, Freunde sagten wir wären verrückt und es würde sich nicht rentieren, die Reise anzutreten. Doch es war unsere Pflicht. Wir traten an, kämpften und freuten uns unheimlich als wir es endlich geschafft hatten. Wir waren da, wir waren im Achtelfinale und erlebten wohl das gleiche Gefühl wie der BVB als er das Ticket gelöst hatte.
Dass uns auf dem Weg zum Hafen in Calais drei Typen mit fragwürdigem Hintergrund verfolgten und uns auf der Pelle rückten geriet fast zur Nebensache. Es war nur ein kurzer schwacher Moment, indem wir den Herren, die vom Teint wohl auch gut in das Team von Shaktjor Donezk hereingepasst hätten, das Gefühl doch den Hauch einer Chance zu haben. Doch wir schüttelten sie ab. Was sie von uns wollten, wissen wir bis heute nicht. Möglicherweise uns ausnehmen, möglicherweise aber auch nur, dass wir sie einschleusen nach England. Es hatte jedenfalls einen faden Beigeschmack, zumal sie mit uns reden wollten und nicht von unserer Seite wichen. Aber was sollte schon passieren am Hafen, wo sich so viele Leute tummeln? Wohl fühlten wir uns bei der Geschichte jedenfalls nicht. Aber es ging ja weiter.
Viertelfinale
Calais - Dover
Wie Bayern gegen Juve - eine sichere Sache. An Bord fast nur Fans, ca. 60:40 verteilungsmäßig pro Dortmund. Oben auf dem Deck hatten wir nochmal die einzigartige Möglichkeit unsere Liebe zum französische Verkehrsnetz kund zu tun, dass uns nichts als Strapazen beschert hat:
(ganz fair ist das nicht, ABER einen Sündenbock brauchten wir ja ;) ) |
Und ein heja! Wir konnten endlich wieder mit den Leuten richtig reden! (Englisch und so)
Halbfinale
Dover - London
Halbfinale! Die Spannung stieg! Ich wurde zunehmend nervös, Nick gab sich gelassen. Im Zug dösten wir noch ein bisschen und blickten hoffnungsvoll in die Ferne. London, wir kommen! Fans sahen wir nur wenige, denn viele waren schon dort. Dafür kamen wir ins Gespräche mit vielen Engländern, die teils pro BVB, teils pro Bayern waren, aber sich stets offen zeigten.
In London angekommen mussten wir uns gleich um die Rückreise kümmern, weil Nick am Montag arbeiten und ich morgens um 9 Uhr im Seminar sitzen musste. Also ab zum Schalter. Der Kerl war mega freundlich, hatte aber absolut keine guten Nachrichten: Alles ausgebucht. Wir wollten den Eurostar nehmen und dann direkt von Strasbourg nach Hause. Planmäßig wäre ich um 1 Uhr am Montagmorgen in Salzburg. Eine Möglichkeit gab es dennoch: 1. Klasse im Eurostar für 300€. Wir hätten gelacht, falls es nicht so traurig gewesen wäre. Wir gingen also hinaus in die Bahnhofshalle von St.Pancras, starrten kurz Luftlöcher und entschlossen uns, darauf zu scheißen. Am Sonntag würden wir den ersten Zug nehmen, dann mit der Fähre. Mir schwebte ein Wort namens 'Trampen' im Kopf herum, aber ich behielt es erstmal für mich.
Es war nun 15.30 Uhr englische Zeit, Zeit für eine weitere Apfelschorle. Dann ein bisschen die Lage um den Bahnhof herum abgecheckt, denn allzuweit konnten wir ja nicht weg, zwecks dem Zug. Kaum 5min gelaufen, sprossen auch schon die ersten Pubs aus dem Boden heraus. Wir liefen vorbei an einem Laden namens 'The Euston Flyer' und wurden gleich angequatscht: "Hey, you two! I'd like to take a picture with you! A Bayern AND Dortmund Fan together, awesome!" Von da an, waren wir drin! - die Dame arbeitete nämlich in dem Laden und auch die 2m-großen Türsteher liebten uns.
Braunes Schild: First & Last Pub -überragend :D |
Bahnhof St.Pancras |
Park unweit von St.Pancras & der Bar entfernt |
"CL-Finale: Viel Glück!" |
Daniel aus Manchester - überragender Typ! |
überall die Duftmarke hinterlassen :o) |
Finale
Lassen wir doch einfach das hier für sich sprechen:
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Ähnlich wie die Spieler beider Mannschaften sind wir am nächsten mit einem leichten Kater und völlig unausgeschlafen nach einer großartigen Nacht in London aufgewacht. Der Unterschied zu ihnen bestand wohl lediglich in unserer Bleibe, wobei ich prinzipiell nicht wüsste was an einem Lager im Bahnhof wirklich auszusetzen wären. Ok, es war schweinekalt, hart und ungemütlich. Aber auch irgendwie geil.
Die Anschlüsse nach Frankreich erreichten wir alle. Wir entschlossen uns dann letztlich zu Trampen, weil das mit den Zügen zeitlich nie und nimmer hingehauen hätte. Aber Trampen musste einfach klappen, denn es wollten doch so viele nach Deutschland zurück. Also in der Fähre nach einem Stück Karton gefragt und einen Stift gekauft. Als die Fähre andockte, machten wir uns an das Schild heran. Ich hatte kaum das 'DEU' für 'Deutschland' geschrieben - wir waren tatsächlich SEHR offen was das Ziel anging - sprach uns auch schon jemand an: "Wo müsst'n ihr hin?" Es waren zwei Bayer-Fans und Nick war gerade nicht da. Also war es wiedermal Zeit Größe zu zeigen :D ... und wir fuhren mit ihnen mit.
'You always get better than expected' - eine alte Reiseerfahrung. Und so war es auch. Sie fuhren uns bis nach Mainz, von dort aus dann über Frankfurt - und einem 2km Sprint zum Fernbahnhof am Flughafen - direkt nach Bruchsal bzw. für mich über München nach Salzburg. Nick war gegen 2 Uhr morgens zuhause - aufstehen um 6. Ich um 8 Uhr - Seminar um 9.
Zusammengefasst: Überragende, intensive Reise! Viel erlebt, wenig geschlafen - wie es eben sein muss!
Ps.: Denkt dran, ist alles Karma ;). Robbens Tor zwecks letztes Jahr. Der Götze-Wechsel, Lewandowski-Hick-Hack etc. - wir kommen wieder! Und sehen uns in Lissabon! Wie wärs Nick? ;)
// Edit: Alex hat uns während der Fahrt fotografiert :D
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