Freitag, 10. Juli 2015

Albanischer Wahnsinn aka "No worries"


Eigentlich wollte ich erst nächste Woche einen Blogeintrag schreiben. Einen, der die geballte malerische Schönheit des Balkans zeigt, inklusive Bergpanoramen, Sonnenuntergängen, Stränden etc - die volle Dröhnung eben. Und eigentlich schreibe ich auch keine Blogeinträge über einzelne Tage, insbesondere nicht am selben Tag wie es sich zugetragen hat. Aber heute... hach, ich glaube ich werde zu alt für den Scheiß. Dieser handelt von Chaos, Missverständnissen, unglaublicher Freundlichkeit und dem König Zufall.

Eigentlich war nämlich eine Tagestour geplant. Momentan bin ich in Shkoder, Albanien, von wo aus eine Tour zum Lake Koman, der wunderschön in den Bergen liegt, geplant war: Morgens um 6 Uhr aufstehen, Bus zum See, Fähre, kurz umschauen, Fähre zurück. Easy peasy, 20€ - so weit, so prächtig.

Lake Koman

Vor Ort die erste Überraschung: Die Gruppe, mit der ich diese Tour zusammen machen sollte, hatte nicht wirklich vor mit der Fähre zurück zu fahren, sondern wollte stattdessen in den Bergen übernachten um dort zu wandern. Auch der Guide, der wie ich dachte uns ein paar Infos geben und uns begleiten würde, entpuppte sich als Busfahrer. An und für sich kein Problem, doch als ich ihn fragte, wann denn die Fähre zurückfährt, meinte er: „Gar nicht. Die nächste fährt erst morgen um 13 Uhr.“ Das war schon ein Problem, denn außer ca.30€, Handy und Kamera hatte ich nichts dabei. Die Logik: Es ist eine Tagestour, ich komme wieder zurück, mit Guide und extra reserviertem Bus – wozu unnötig Zeug mitschleppen, wer weiß was unterwegs passiert?

Was folgte war eine 10- bis 15-minütige Diskussion, was ich jetzt tun könnte. Der „Guide“ schlug vor, dass ich in einem Hotel übernachte. Dazu hatte ich zu wenig Geld und nicht die passende Kleidung (war so 15° Grad, mega windig). „Don't worry about it.“ („Mach dir keinen Kopf“) - sollte ich noch öfter hören. Hotel sei schon bezahlt (vom Chef scheinbar) und am nächsten Tag kann ich einfach die Fähre zurücknehmen. Problem: Es war keiner auf dem Boot dabei, an den ich mich hätte wenden können, weswegen sich das alles nach leeren Versprechen angehört hat. Als ich dann meinte, dass ich lieber den Bus zurücknehmen würde und das Bootsticket zurückgeben würde, war er nicht ganz so begeistert und hat mir eine private Bootstour angeboten (hörte sich nach teuer an, deswegen habe ich das abgelehnt).

Ende vom Lied: Es hat angefangen zu regnen, alle im Boot warteten auf mich, er hat nochmal seinen Chef angerufen, es bestätigt, dass ich im Hotel schlafen könnte.. also bin ich mit. Aber eigentlich hatte ich keinen Bock dort eine Nacht zu bleiben, insbesondere weil mein ganzes Zeug noch in Shkoder war. Deswegen würde wandern z.B. auch flach fallen. Aber gut: „No worries.“

Die Fahrt war echt schön, genießen konnte ich es aber nicht wirklich. Dort angekommen, stellte ich fest, dass eine gut ausgebaute Straße zurück nach Shkoder führte. Also nahm ich mir vor einen Bus von irgendeinen größeren Dörfer zu nehmen, was auch tatsächlich ging.

Mega erleichtert saß ich dann im kleinen Minibus, genoss die Aussicht, alles super. Bis der Fahrer sich an mich wandte, ich aber keinen Ton verstand. Zum Glück konnte einer der anderen Mitfahrer Englisch und fragte mich rhetorisch, ob ich meinen Pass dabei hätte. De döm. Mir rutschte das Herz in die Hosentasche – ich muss wohl ziemlich geschockt drein geschaut haben – und verneinte.

Kurze Stille.

Ich fragte, wozu ich ihn den bräuchte (dumme Frage). - „Wir fahren über den Kosovo“.

WAS?!“ (das war wohl der Moment, in dem meine Augen leicht herausgesprungen sind) - „Ja, der Weg ist zwar ein bisschen länger, geht aber schneller, weil es eine Autobahn ist.“

..

Was jetzt?!!“, fragte ich dann. Momente des Erstaunens und Unglaubens vergingen. Verdutzte Blicke wurden zwischen den anderen Mitfahrern (alles Albaner) ausgetauscht. - „Ach, dann zahlst du einfach 10€ mehr für die Fahrt und gibst dem Typen an der Grenze ein kleines Trinkgeld“, die lapidare Antwort.

Und wie zum Teufel mache ich das genau?“, brachte ich nur hervor. - „Ach, das machen wir schon.“

Alles klar.

Na gut, umkehren war keine Option (weder für mich, noch für die anderen), also hieß es Augen zu und durch. Und eigentlich war ich ziemlich ruhig. Nervös wurde ich erst direkt an der Grenze, nur scheinbar war es meine vorherige Reaktion, die den einzigen, der des Englisch mächtig war, dazu veranlasste mit mir ein bisschen mehr zu quatschen. „No worries.“

Ach ja, wir mussten die Grenze zweimal durchqueren – klar, einmal in den Kosovo und dann vom Kosovo nach Albanien zurück. Aber erst bei der zweiten Überquerung kam es zu einer etwas längeren Wartezeit. Es ist ungefähr so wie vor einem wichtigen Vortrag, man versucht sich zu beruhigen, ruhig zu agieren, damit das sich auf den Geist überträgt. Gefeiert habe ich es trotzdem als wir dann weiterfuhren. Im Endeffekt blieben wir alle im Bus sitzen und durchgecheckt haben sich mich auch nichts (gab ja theoretisch auch nichts, was durchzuschauen wäre).

HA! - Und ich dachte die Grenze zu Fuß zu überqueren hätte was! Aber das! Ich war happy.

Weiß nicht, ob ich es schon erwähnt habe, aber wir fuhren übrigens nicht direkt nach Shkoder, sondern nach Tirana (ca. 100km entfernt, dauert aber wegen der Straße deutlich länger). Der Englischsprachige hieß übrigens Petri, kam aus Tirana, wollte es sich nicht ausreden lassen mich während einer Pause (nach der Grenze) auf einen Kaffee einzuladen und war mitsamt seinem Schwager und dessen Bruder mega freundlich.

An der Kreuzung, an der es links nach Tirana und rechts nach Shkoder ging, hielt der Bus dann an, woraufhin Petri meinte, dass er mir einen Bus anhält. Was bitte? Ganz einfach: Man steht an der Straße, winkt einem Minibusfahrer zu, der hält an und man fährt für 5€ nach Shkoder. Insgesamt waren aber ausnahmslos alle Albaner mega freundlich und hilfsbereit, auch wenn das mit dem Englisch meistens hapert.

Also Ende gut alles gut. Den Reisenden bleibt das Glück wie immer hold. Nur in Zukunft könnte ich gerne auf diese Erfahrungen verzichten. Bin auch nicht mehr der Jüngste ;).

Bis zum nächsten Mal - dann hoffentlich mit einer Liebeserklärung an den Balkan ;)

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